Ex-Ministerin: Stasi damals „kein Thema“

JUSTIZ: Richstein begrüßt Grenzfall-Debatte

07.04.2011, 12:15 Uhr | Märkische Allgemeine Zeitung / Igor Göldner

POTSDAM - Die Debatte über einstige Stasi-Grenzfälle in der Justiz Brandenburgs geht weiter und wird unterschiedlich bewertet. Die frühere Justizministerin Barbara Richstein (CDU) begrüßte die von ihrer Partei neu entflammte Diskussion, schließlich gebe es heute eine andere Aktenlage als damals. „Da noch einmal nachzuschauen, ist nicht schädlich“, sagte Richstein gestern der MAZ.

Der Fraktionschef der SPD im Landtag, Ralf Holzschuher, sieht indes für eine neue Stasi-Überprüfung keinen Anlass. „Es gibt keine neue Lage.“ Die Fälle seien schon lange bekannt.

Heute wird sich der Rechtsausschuss des Landtags mit dem Thema befassen. Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) soll auf Antrag der oppositionellen CDU Auskunft geben, wie der weitere Umgang mit 82 noch im Justizapparat befindlichen früheren Stasi-Mitarbeitern erfolgen soll. Diese Zahl hatte Schöneburg kürzlich in einer Parlamentsanfrage genannt. Die oppositionelle CDU hatte daraufhin eine generelle Neuüberprüfung des öffentlichen Dienstes verlangt, was aus rechtlichen Gründen aber nicht mehr möglich ist.

Die 82 Bediensteten in der Justiz mit Stasi-Hintergrund, darunter auch drei Richter, waren 1991 überprüft und von einer unabhängigen Kommission als unbedenklich eingestuft worden. Richter wurden vom Richterwahlausschuss des Landtags berufen.

Justizminister Schöneburg hatte erklärt, er wolle nur aktiv werden, wenn es neue Erkenntnisse gebe. Das sei bisher nicht der Fall. Trotzdem will sich der Minister einzelne Grenzfälle erneut ansehen, allerdings handele es sich nicht um eine erneute Überprüfung, wie er betonte.

Richstein, die heute Landtagsabgeordnete ist, räumte ein, dass in ihrer Amtszeit von 2002 bis 2004 einstige Stasi-Verstrickungen in der Justiz „kein Thema“ waren. Natürlich hätte nachgefragt werden können, sagte sie. Aber die Frage hätte weder in der rot-schwarzen Koalition noch im Kabinett eine Rolle gespielt. „Die meisten waren überprüft. Da waren sowieso die Messen gesungen.“ Die eigentlichen Versäumnisse in der DDR-Aufarbeitung sind aus ihrer Sicht gleich nach 1990 gemacht worden. „Brandenburg leidet noch heute unter dem Dilemma, nach der Wende nicht konsequent die Vergangenheit aufgearbeitet zu haben“. Dafür gebe es jetzt die Enquetekommission im Landtag.

Zur Kritik von CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski, der gesagt hatte, damals hätten auch CDU-Justizminister bei der Stasi-Aufarbeitung „mehr machen können“, wollte sich Richstein nicht äußern. Die CDU stellte zwischen 1999 und 2009 drei Justizminister.

Dombrowski bekräftigte gestern seine Forderung nach einer neuen Überprüfung der Justiz und sprach mit Blick auf die 82 Bediensteten mit Stasi-Hintergrund von einem „Skandal“. In der gemeinsamen Regierungszeit sei in Sachen Stasi-Aufarbeitung mit der SPD „nichts zu machen“ gewesen. „Hätte die CDU für eine Stasi-Aufarbeitung die Koalition platzen lassen sollen?“, fragte Dombrowski.

Nur dass damals von der CDU in Sachen Stasi-Aufarbeitung nicht eine eigene Initiative kam, sagte er nicht.