Polen: Kein Atomkraftwerk an deutscher Grenze geplant

05.05.2006, 10:31 Uhr

Das polnische Wirtschaftsministerium hat Medienberichte zurückgewiesen, nach denen Polens erstes Kernkraftwerk an der Grenze zu Deutschland errichtet werden soll. Ein Gutachten soll einen Standort nahe Schwedt empfohlen haben. (04.05.2006, 17:10 Uhr)

Warschau/Potsdam - Das polnische Wirtschaftsministerium hat Medienberichte über Pläne zum Bau eines Atomkraftwerks (AKW) in der Nähe zur deutschen Grenze nicht bestätigt. "Wir haben dazu keine Informationen", sagte eine Ministeriumssprecherin am Donnerstag auf Anfrage in Warschau. Die Zeitung «Glos Szczecinski» hatte am Dienstag berichtet, in Westpommern (Zachodnie Pomorskie) solle bis zum Jahr 2015 ein AKW gebaut werden. Die Zeitung beruft sich auf ein Gutachten des Instituts für Kernphysik der Polnischen Akademie der Wissenschaften.
Darin nannten die Wissenschaftler als einen möglichen Standort für den Bau des ersten Kernkraftwerks in Polen die Stadt Gryfino (Greifenhagen) nahe Schwedt (Uckermark). Die Brandenburger Landesregierung erfuhr davon offensichtlich aus der Presse. Ein Sprecher des Umweltministeriums sagte, Gespräche mit der polnischen Seite stünden noch aus. "Wir wissen nicht, ob es ein Testballon ist oder eine ernste Absicht dahinter steht".

CDU-Generalsekretär Sven Petke nannte die "Ahnungslosigkeit" von Staatskanzlei und Umweltministerium "peinlich". In den vergangenen Jahren habe die Landesregierung den hohen Wert der Beziehungen zur Republik Polen und deren ausgezeichneten Zustand betont. Die Regierung sollte die Ergebnisse der bisherigen Bemühungen kritisch durchleuchten.

Regierungssprecher Thomas Braune wies den Vorwurf in scharfer Form zurück. "Peinlich ist nur der Auftritt von Herrn Petke", erklärte der Regierungssprecher am Rande eines Besuchs von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) in Helsinki. Der amtierende SPD-Landesgeschäftsführer Lars Krumrey kündigte an, Petkes Auftreten und Äußerungen würden auch im Koalitionsausschuss an diesem Freitag ein Thema sein.

Die CDU-Landtagsfraktion verlangte mehr Klarheit über die Pläne. Sie hoffe, dass Ministerpräsident Platzeck von seiner Warschau-Reise "etwas fundiertere Informationen" mitbringe und die Parlamentarier schnellstmöglich in Kenntnis gesetzt werden, sagte die europapolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Barbara Richstein. Sie beantragte, das Thema im Europaausschuss des Landtages zu behandeln.

Für Bündnis 90/Die Grünen erklärte der Landesverband Berlin, Polen sollte sich umgehend von den Plänen distanzieren. "Dieses Atomkraftwerk wäre eine Gefahr für die gesamte Region, inklusive Berlin", hieß es in einer Mitteilung. Die Grünen würden mit aller Kraft gegen das Vorhaben kämpfen.

In einem Ende vergangenen Jahres von der polnischen Regierung angenommenen Bericht über die Energiepolitik Polens bis zum Jahr 2025 wurde die Einführung der Atomenergie grundsätzlich positiv beurteilt. Mit Hilfe von Atomenergie lasse sich der Treibhauseffekt verringern und die Art der Energieversorgung diversifizieren, hieß es darin. Konkrete Baupläne werden in dem Bericht allerdings nicht genannt. (tso/dpa)